Nudging: Was ist das, welche Nudges gibt es und wie kann die Gastronomie der Kundschaft damit helfen, nachhaltiger zu handeln?
1. August 2023

Nudging: Was ist das, welche Nudges gibt es und wie kann die Gastronomie der Kundschaft damit helfen, nachhaltiger zu handeln?

Von Foodways

Die Gastronomie hat einen grossen Einfluss auf das Konsumverhalten der Menschen. Sie kann durch ihr Angebot, ihre Präsentation und ihre Kommunikation die Essensentscheidungen ihrer Kundschaft beeinflussen. Diese sanfte Beeinflussung nennt man Nudging. Damit lassen sich sowohl ökologische als auch ökonomische Vorteile erzielen. Denn nachhaltige Ernährung bedeutet nicht nur weniger Umweltbelastung, sondern auch mehr Gesundheit, mehr Vielfalt und mehr Genuss.

Was ist Nudging?

Nudging ist eine Methode aus der Verhaltensökonomie, die Menschen auf subtile Weise dazu anregt, bestimmte Entscheidungen zu treffen oder Verhaltensweisen zu ändern. Ganz wichtig: Dabei wird die Wahlfreiheit der Menschen nicht eingeschränkt, sondern lediglich das Entscheidungsumfeld so gestaltet, dass die gewünschte Option attraktiver oder einfacher wird. Nudging lässt sich mit «kleiner Schubs» oder «Anstupsen» übersetzen und wird gerne im Bereich der Nachhaltigkeit und des Umweltschutzes eingesetzt.

Ein Beispiel für einen Nudge ist die Platzierung von Obst und Gemüse an einer gut sichtbaren Stelle im Supermarkt, während ungesunde Snacks nicht sofort ins Auge fallen. Dadurch wird die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass die Kundschaft zu den gesünderen Lebensmitteln greift. Ein anderes Beispiel ist die Voreinstellung von Ökostrom bei Stromverträgen. Solche Nudges sollen die Kundschaft in den unterschiedlichsten Bereichen dazu anregen, klimafreundlichere Entscheidungen zu treffen.

Doch warum brauchen wir Nudging überhaupt? Es ist vor allem in Zeiten des Klimawandels leider notwendig, da wir Menschen oft nicht so handeln, wie wir es eigentlich wollen oder sollten. Wir sind Gewohnheitstiere, die sich von Bequemlichkeit, Kurzfristdenken, Statusorientierung oder sozialer Nachahmung leiten lassen. Oft ist uns auch nicht bewusst, welche Folgen unser Konsumverhalten für die Umwelt und die Gesellschaft hat. Deshalb brauchen wir manchmal einen kleinen Anstoss, um uns für die nachhaltigere Option zu entscheiden. Nudging kann in nahezu allen Bereichen des täglichen Konsums angewendet werden. Aber in diesem Blogpost konzentrieren wir uns auf die Gastronomie und zeigen, wie sich die Kundschaft mit Nudges dazu ermuntern lässt, nachhaltiger zu essen und zu trinken.

Ein Weg zu mehr Nachhaltigkeit in der Gastronomie

Ein Nudge, der sowohl dem Klima als auch der Gesundheit zugutekommt, ist die Reduzierung des Fleischanteils auf den Speisekarten. Denn Fleisch hat einen hohen ökologischen Fussabdruck und zu viele verarbeitete Fleischprodukte sind auch für die Gesundheit nicht förderlich. Durch eine veränderte Präsentation der Speisekarte kann die Kundschaft dazu angeregt werden, mehr vegetarische oder vegane Gerichte zu wählen. Dies kann zum Beispiel durch eine prominente Platzierung der fleischlosen Gerichte am Anfang oder Ende der Speisekarte geschehen, durch eine ansprechende Beschreibung oder durch eine Kennzeichnung mit Symbolen wie einem grünen Blatt oder einem Herz. Ein Feldversuch von Gravert und Kurz aus dem Jahr 2016 auf den wir weiter unten im Artikel noch näher eingehen, hat gezeigt, dass bestimmte Nudges den Anteil der vegetarischen Bestellungen um bis zu 40 Prozentpunkte erhöhen können.

Nudges, die zur Nutzung von Mehrwegsystemen für Getränke oder Speisen zum Mitnehmen anregen, sind ebenfalls ein wirksames Mittel. Denn Einwegverpackungen verursachen viel Müll, verbrauchen unnötig Ressourcen und sollten besser vermieden werden. Um die Kundschaft dazu zu bewegen, Mehrwegbehälter zu nutzen, können verschiedene Anreize geschaffen werden. Denkbar sind Rabatte oder Bonuspunkte für die Nutzung von Mehrwegbehältern. Oder es kann eine zusätzliche Gebühr für Einwegverpackungen erhoben werden. Diese Nudges können die Nachfrage nach Mehrwegsystemen deutlich steigern, wie verschiedene Praxisbeispiele zeigen. Ein dritter sinnvoller Nudge in der Gastronomie ist die Reduzierung von Lebensmittelverschwendung. Denn das ist nicht nur ein ökologisches und ethisches Problem, sondern auch ein wirtschaftlicher Verlust für die Gastronomiebetriebe. Zur Reduzierung von Food Waste kann zum Beispiel die Portionsgrösse angepasst oder eine Wahlmöglichkeit zwischen verschiedenen Portionsgrössen angeboten werden.

Ein Feldversuch: Wie wirksam sind Nudges in der Gastronomie?

Eine Untersuchung über die Wirksamkeit von Nudges von Christina Gravert and Verena Kurz basiert auf einem Experiment, das 2016 in einem Restaurant in Göteborg durchgeführt wurde. Die Forscherinnen haben verschiedene Nudging-Massnahmen getestet, um den Konsum von Fleisch zu reduzieren und den von vegetarischen Gerichten zu erhöhen. Dabei nutzten sie folgende Nudging-Arten:

Defaults sind Voreinstellungen oder Standards, die das Verhalten beeinflussen können, wenn Menschen von ihnen nicht abweichen. Zum Beispiel kann man in einem Restaurant die vegetarische oder vegane Option als Standard auf der Speisekarte anbieten und die Fleischgerichte als Zusatzoption kennzeichnen. Das kann dazu führen, dass mehr Menschen sich für die pflanzliche Alternative entscheiden, weil sie weniger Aufwand bedeutet oder weil sie als sozial erwünschter wahrgenommen wird.

Informations-Nudges sind Massnahmen, die Menschen zusätzliche Informationen zur Verfügung stellen, die ihre Entscheidung beeinflussen können. Zum Beispiel kann man in einem Restaurant die Herkunft und den ökologischen Fussabdruck der Lebensmittel auf der Speisekarte angeben oder mit Symbolen wie dem Bio-Siegel oder dem Fairtrade-Logo kennzeichnen. Das kann dazu führen, dass mehr Menschen sich für die nachhaltigere Option entscheiden, weil sie besser informiert sind oder weil sie ein gutes Gewissen haben wollen.

Social Norm: Die nachhaltige Option wird mit einem Hinweis auf das Verhalten anderer Menschen verbunden. Zum Beispiel wird ein fleischloses Gericht mit einem Schild «Das beliebteste Gericht unserer Gäste» oder ein regionales Getränk mit einem Schild «Das trinken die Einheimischen» versehen.

Framing: Die nachhaltige Option wird mit positiven oder negativen Assoziationen versehen. Zum Beispiel wird ein vegetarisches Gericht mit einem Namen wie «Gartenfreude» oder «Fitmacher» oder ein fleischhaltiges Gericht mit einem Namen wie «Klimakiller» oder «Herzinfarkt» versehen.

Die konkreten Massnahmen innerhalb des Versuchs waren:

Die Forscherinnen haben die Bestellungen und die Zufriedenheit der Gäste vor und nach den Nudging-Massnahmen erfasst und analysiert. Sie haben auch die Einstellungen und Motive der Gäste zu ihrer Ernährung und zum Klimaschutz erfragt.

Die wichtigsten Erkenntnisse des Versuchs:

Die Einstellungen und Motive der Gäste zu ihrer Ernährung und zum Klimaschutz hatten ebenfalls einen Einfluss auf die Reaktion auf die Nudging-Massnahmen. Gäste, die sich als Flexitarier bezeichneten oder eine hohe Umweltmotivation hatten, waren grundsätzlich eher bereit, ein vegetarisches Gericht zu wählen als Gäste, die sich als Fleischesser bezeichneten oder eine niedrige Umweltmotivation hatten. Der Versuch zeigt, dass Nudging in der Gastronomie wirksam sein kann, um den Fleischkonsum zu senken. Allerdings hängt die Wirkung stark von der Art der Massnahme und dem Profil der Gäste ab.

Welche Massnahmen gibt es noch?

Das Experiment verdeutlicht, dass es viele Möglichkeiten gibt, wie die Gastronomie ihre Kundschaft mit Nudges zu mehr Nachhaltigkeit anregen kann. Hier sind einige weitere Vorschläge:

Wie profitiert die Gastronomie selbst durch den Einsatz von Nudges?

Es leuchtet ein, dass Nudging ein nützliches Instrument sein kann, um die Kundschaft zu einem nachhaltigeren und gesundheitsbewussteren Verhalten zu bewegen. Aber warum sollte die Gastronomie in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten solche Massnahmen umsetzen wollen? Es gibt mehrere Gründe dafür:

Nudging kann die Kundenzufriedenheit und die Kundenbindung erhöhen. Denn wer sich gut informiert und wohl fühlt, ist sie eher bereit, wiederzukommen oder eine positive Bewertung zu hinterlassen. Die Massnahmen können ausserdem die Kosten senken und somit den Gewinn steigern. Denn wenn weniger weggeworfen wird, zum Beispiel durch kleinere Portionen, kann das die Ausgaben reduzieren oder die Einnahmen erhöhen. Und wenn sich ein Restaurant für Nachhaltigkeit einsetzt und das deutlich kommuniziert, kann das das Image verbessern und neue Kundengruppen ansprechen. Insgesamt ist Nudging also eine vielversprechende Methode, um Menschen dazu zu bewegen, nachhaltiger zu handeln und gelichzeitig die Wirtschaftlichkeit in der Gastronomie zu verbessern. Dabei sollten die Nudges jedoch immer so gestaltet sein, dass die Kundschaft die Freiheit hat, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen. Nudging sollte als Anregung verstanden werden, nicht als Zwang.

Foodways

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